Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Die Zielsetzung
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz setzt die europäische Richtlinie (EU) 2019/882, den sogenannten European Accessibility Act, in nationales Recht um. Es soll Barrieren abbauen und sicherstellen, dass digitale Produkte und Dienstleistungen für alle Menschen – unabhängig von Einschränkungen – zugänglich sind. Das Gesetz tritt am 28. Juni 2025 in Kraft und richtet sich vor allem an Anbieter von Dienstleistungen und Produkte, die für Verbraucher von besonderer Bedeutung sind, darunter Online-Shops, Apps und Webseiten.
Für wen und was gilt das BFSG?
Unterschiede zwischen Unternehmen
Das Gesetz betrifft alle Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 auf den Markt gebracht werden, sowie Dienstleistungen, die nach diesem Datum erbracht werden, müssen barrierefrei sein.
Dazu zählen unter anderem technische Geräte wie Computer, Tablets und Smartphones sowie Automaten wie Geld- und Ticketautomaten. Auch Dienstleistungen sind betroffen, darunter der Personenverkehr, Telefon- und Messenger-Dienste sowie Angebote im elektronischen Geschäftsverkehr.
Das bedeutet, dass insbesondere Webseiten, Online Shops und andere digitale Servicebereiche wie Kontaktformulare und Terminbuchungssysteme barrierefrei gestaltet sein müssen.

1. B2C-Unternehmen (Business-to-Consumer)
B2C-Unternehmen, wie Online-Shops für Endverbraucher, sind direkt vom BFSG betroffen. Das Gesetz verpflichtet alle Anbieter von digitalen Dienstleistungen für Verbraucher dazu, ihre Websites und Online-Shops barrierefrei zu gestalten. Dazu gehören z. B. Produktseiten, Bestellprozesse, Bezahlvorgänge und Kontaktformulare. Für B2C-Unternehmen ist es daher unerlässlich, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.
Welche Unternehmen sind ausgenommen?
Kleine Unternehmen
Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz ≤ 2 Millionen Euro sind von den Barrierefreiheitsanforderungen ausgenommen. Für diese Betriebe würde die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben einen unverhältnismäßig hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand bedeuten.
Mittlere Unternehmen
Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz unter 10 Millionen Euro können in bestimmten Fällen von einzelnen Anforderungen befreit werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie nachweisen können, dass die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen für sie eine unverhältnismäßige Belastung darstellt. Eine begründete Erklärung muss hierfür vorgelegt werden.
Ein Beispiel:
Ein kleines Café nutzt eine Webseite, um seine Speisekarte und Öffnungszeiten zu präsentieren. Da es nur drei Mitarbeitende beschäftigt, muss es die Barrierefreiheitsanforderungen nicht zwingend umsetzen. Hat das Café jedoch 15 Mitarbeitende und bietet zusätzlich einen Online-Bestellservice an, muss die Webseite barrierefrei gestaltet sein, damit alle Kundinnen und Kunden gleichermaßen Zugang zu den angebotenen Dienstleistungen haben.
2. B2B-Unternehmen (Business-to-Business)
B2B-Unternehmen, die ausschließlich an andere Unternehmen liefern, sind in der Regel nicht direkt vom BFSG betroffen. Das Gesetz zielt hauptsächlich auf Verbraucherdienstleistungen ab, nicht auf Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen. Eine reine Unternehmenspräsenz im Internet ohne direkte Dienstleistungen für Endverbraucher muss daher keine gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit erfüllen.
Neben klassischen B2C-Unternehmen gibt es Institutionen, die zwar primär im B2B-Bereich tätig sind, jedoch digitale Dienstleistungen für die Öffentlichkeit anbieten und somit unter das BFSG fallen könnten. Beispiele hierfür sind:
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Kassenärztliche Vereinigungen: Sie bieten digitale Services wie Arztsuchen oder Terminvergabesysteme für Patientinnen und Patienten an.
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Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern: Diese stellen häufig Weiterbildungsangebote, Veranstaltungskalender oder Mitgliederverzeichnisse online zur Verfügung.
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Berufsgenossenschaften: Sie bieten Online-Formulare, Informationsportale und Präventionsangebote für Beschäftigte und Arbeitgeber an.
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Forschungseinrichtungen und Universitäten: Insbesondere, wenn sie öffentliche Veranstaltungen, Online-Kurse oder Bibliothekszugänge anbieten.
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Öffentliche Verkehrsbetriebe: Mit digitalen Fahrplänen, Ticketbuchungssystemen und Echtzeitinformationen für Fahrgäste.
Diese Institutionen sollten prüfen, ob ihre digitalen Angebote unter die Anforderungen des BFSG fallen und entsprechende Maßnahmen zur Barrierefreiheit umsetzen.
Zuständiges Ministerium und Überwachungsinstanzen
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist für die Umsetzung und Einhaltung des BFSG verantwortlich. Die Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer sind für die Kontrolle der Einhaltung zuständig. Diese Behörden überprüfen, ob Produkte und Dienstleistungen den Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen.
Der Zusammenhang mit EN 301 549 und WCAG 2.1
Das Gesetz selbst definiert keine technischen Details, sondern verweist auf die europäische Norm EN 301 549, die genau beschreibt, wie Barrierefreiheit technisch umgesetzt werden muss. Innerhalb dieser Norm sind die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 als Standard für Webinhalte verankert.

1. BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) – Das Gesetz
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Das BFSG ist ein deutsches Gesetz, das ab dem 28. Juni 2025 Unternehmen dazu verpflichtet, ihre digitalen Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Es gilt für Online-Shops, Websites und andere digitale Produkte, die Verbrauchern zugänglich sind.
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Was regelt es? Das Gesetz sagt: „Ihr müsst Barrierefreiheit umsetzen!“, aber es erklärt nicht im Detail, wie das genau zu geschehen hat.
2. EN 301 549 – Die technische Norm
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Die EN 301 549 ist eine europäische Norm, die genau beschreibt, wie Barrierefreiheit technisch umgesetzt werden soll. Sie ist quasi der „Bauplan“ für die Einhaltung des BFSG.
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Wie passt das zusammen? Das BFSG verweist direkt auf die EN 301 549. „Wenn Sie diese Norm erfüllen, sind Sie gesetzlich auf der sicheren Seite.“
3. WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) 2.1 – Die inhaltlichen Richtlinien
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Die WCAG 2.1 (Web Content Accessibility Guidelines) sind internationale Richtlinien, die beschreiben, wie Websites barrierefrei gestaltet werden müssen.
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Wie passt das zusammen? Die EN 301 549 übernimmt die WCAG 2.1 für den Bereich der Webinhalte.
Das bedeutet: Wenn Sie Ihre Website nach WCAG 2.1 umsetzt, erfüllst du automatisch die EN 301 549 – und damit auch das BFSG.
Die Verbindung in einem Satz:
- Das BFSG sagt: Sie müssen Ihre digitalen Angebote barrierefrei gestalten! - „Dein Online-Shop muss barrierefrei sein!“
- Die EN 301 549 sagt: Hier ist der technische Standard, wie ihr das macht. - „Barrierefreiheit bedeutet z. B., dass deine Website mit Screenreadern funktionieren und per Tastatur bedienbar sein muss.“
- Die WCAG 2.1 sagt: Hier sind die konkreten Regeln und Checklisten für eure Website. - „Füge Alt-Texte zu allen Bildern hinzu, sorge für einen Kontrast von 4,5:1 bei Texten, und stelle sicher, dass Formulare klare Fehlermeldungen anzeigen.“
Prüfverfahren, Einhaltungskriterien und Toleranzen
Unternehmen müssen ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, um die Barrierefreiheit ihrer Produkte und Dienstleistungen nachzuweisen. Dies beinhaltet die Erstellung einer technischen Dokumentation, die detaillierte Beschreibungen und angewandte Normen umfasst. Die EN 301 549 dient dabei als maßgeblicher Standard und basiert auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Für die praktische Umsetzung bedeutet dies, dass Sie Ihre digitalen Angebote anhand dieser Kriterien evaluieren und entsprechend anpassen sollten. Die EN 301 549 legt spezifische Anforderungen fest, die vollständig erfüllt werden müssen. Es sind keine Toleranzgrenzen oder Abweichungsraten definiert; somit ist eine vollständige Konformität erforderlich. Als Betreiber eines Online-Shops oder einer Website, die Dienstleistungen für Verbraucher anbietet, sind Sie verpflichtet, ein Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, um die Barrierefreiheit Ihrer digitalen Angebote nachzuweisen.
Konformitätsbewertungsverfahrens und Erklärung
Das Konformitätsbewertungsverfahren wird in der Regel vom Unternehmen selbst durchgeführt, das die Produkte oder Dienstleistungen anbietet. Das BFSG sieht hier ein Selbstbewertungsverfahren vor, das Unternehmen dazu verpflichtet, die Barrierefreiheit ihrer digitalen Angebote eigenständig zu überprüfen und zu dokumentieren.
Ablauf des Konformitätsbewertungsverfahrens:
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Analyse: Bewertung Ihrer Website oder Ihres Online-Shops hinsichtlich der Barrierefreiheitsanforderungen gemäß der EN 301 549, die auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 basiert.
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Umsetzung: Anpassung der digitalen Angebote zur Erfüllung der festgelegten Kriterien, wie z. B. ausreichende Kontrastverhältnisse, Tastaturnavigation und Bereitstellung von Alternativtexten für Bilder.
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Dokumentation: Erstellung einer technischen Dokumentation, die eine detaillierte Beschreibung des digitalen Produkts oder der Dienstleistung, die angewandten harmonisierten Normen und technischen Spezifikationen sowie die durchgeführten Prüfungen und Ergebnisse enthält. [Produktbeschreibungen, Angewandte Standarts, Testergebnisse, Risikobewertung, Nachweise]
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Konformitätserklärung: Nach erfolgreicher Umsetzung und Dokumentation erstellen Sie eine EU-Konformitätserklärung, die die Übereinstimmung mit den Barrierefreiheitsanforderungen bestätigt. Es ist ratsam, bei der Erstellung der technischen Dokumentation und der Konformitätserklärung auf Vorlagen und Muster zurückzugreifen, um sicherzustellen, dass alle erforderlichen Informationen enthalten sind. Beispielsweise bietet die Website der Europäischen Kommission Leitfäden und Vorlagen für die technische Dokumentation und die Konformitätserklärung an. Erfahren Sie hier wie Sie die Konformitätserklärung erstellen.
Ihre Website oder Ihr Online Shop gilt als konform, sobald das Konformitätsbewertungsverfahren abgeschlossen und die Konformitätserklärung erstellt wurde. Es ist jedoch ratsam, regelmäßige Überprüfungen durchzuführen, um die fortlaufende Einhaltung der Barrierefreiheitsstandards sicherzustellen. Die IHK Stuttgart bietet eine detaillierte Anleitung zur Erstellung einer EU-Konformitätserklärung, die Sie als Grundlage genutzt werden kann.
Das Konformitätsbewertungsverfahren wird in der Regel vom Unternehmen selbst durchgeführt, das die Produkte oder Dienstleistungen anbietet. Das BFSG sieht hier ein Selbstbewertungsverfahren vor, das Unternehmen dazu verpflichtet, die Barrierefreiheit ihrer digitalen Angebote eigenständig zu überprüfen und zu dokumentieren.
Hinweise auf der Website & Aufbewahrung der EU-Konformitätserklärung
Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung, Hinweise zur Barrierefreiheit, wie beispielsweise in den AGBs, auf der Website zu platzieren. Dennoch kann es sinnvoll sein, eine Barrierefreiheitserklärung bereitzustellen, die Nutzer über die getroffenen Maßnahmen informiert und Vertrauen schafft. Als Unternehmer sind Sie jedoch verpflichtet, die EU-Konformitätserklärung für mindestens fünf Jahre nach dem Inverkehrbringen des Produkts oder der Dienstleistung aufzubewahren. Dies kann in schriftlicher oder elektronischer Form, beispielsweise als PDF, erfolgen.
Für Betreiber von Online Shops und Websites gilt die EU-Konformitätserklärung für die gesamte digitale Dienstleistung. Es ist nicht erforderlich, für jede Unterseite oder jedes Produkt eine separate Erklärung abzugeben. Die Erklärung bezieht sich auf die Barrierefreiheit des Online-Shops oder der Website als Ganzes. Bitte beachten Sie, dass die EU-Konformitätserklärung ein rechtlich verbindliches Dokument ist. Es ist daher ratsam, bei der Erstellung sorgfältig vorzugehen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen.
Die wesentlichen Grundsätze des Barrierefreiheitsstaerkungsgesetz
Die vier zentralen Prinzipien
Die Anforderungen des BFSG orientieren sich an den vier zentralen Prinzipien der Barrierefreiheit: Wahrnehmbarkeit, Verständlichkeit, Bedienbarkeit und Robustheit. Diese Kernpunkte müssen von Unternehmen umgesetzt werden, um sicherzustellen, dass ihre digitalen Angebote allen Nutzern zugänglich sind. Im Folgenden stellen wir diese Prinzipien vor.
1. Wahrnehmbarkeit
Alle Informationen und Benutzeroberflächen müssen so gestaltet sein, dass sie von allen Nutzern wahrgenommen werden können.
3. Verständlichkeit
Die Informationen und Funktionalitäten müssen leicht verständlich sein.
2. Bedienbarkeit
Webseiten und Anwendungen müssen einfach navigierbar und steuerbar sein.
4. Robustheit
Digitale Angebote müssen mit unterschiedlichen Technologien kompatibel sein, um auch bei der Nutzung assistiver Technologien wie Screenreadern oder Braille-Zeilen zu funktionieren.
Maßnahmen zur Einhaltung des BFSG
Die Les- und Skalierbarkeit von Texten
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Texte sollten ohne zusätzliche Hilfsmittel um bis zu 200 % vergrößert werden können, ohne dass Inhalte oder Funktionen beeinträchtigt werden.
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Untertitel sowie Bilder mit eingebettetem Text sind von dieser Regel ausgenommen.
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Zur Anpassung der Schriftgröße können folgende Tastenkombinationen genutzt werden: STRG +/- (Windows) bzw. CMD +/- (Mac).
Verzicht auf textbasierte Bilder
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Statt Bildern mit eingebettetem Text sollte stets echter, formatierbarer Text verwendet werden. Besonders bei Zitaten oder markanten Überschriften wird oft auf Bilder zurückgegriffen – hier sollte eine Ausnahme nur erfolgen, wenn das Bild unverzichtbar ist oder visuell angepasst werden kann.
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Zudem verbessert dies die Suchmaschinenoptimierung (SEO), weshalb die Maßnahme unabhängig von der Barrierefreiheit vorteilhaft ist.
Bereitstellung von Alternativtexten für Nicht-Text-Inhalte
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Für nicht-textbasierte Inhalte, wie Bilder, müssen Alternativtexte vorhanden sein. Sollte ein Bild Text enthalten, muss der Alternativtext exakt mit diesem übereinstimmen.
Optimale Kontraste in der Darstellung nutzen
Kontraste bei grafischen Elementen
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Grafische Inhalte, die zur Navigation oder zum besseren Verständnis der Webseite beitragen, benötigen ein Kontrastverhältnis von mindestens 3:1.
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Dazu zählen beispielsweise Navigationssymbole, Checkbox-Haken, Icons oder Linien in Diagrammen.
Farbverläufe und deren Kontraste
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Bei der Verwendung von Farbverläufen muss das zentrale Element deutlich vom Hintergrund abgesetzt sein. Sollte der Kontrast an bestimmten Stellen nicht ausreichen, ist es notwendig, den Farbverlauf an diesen Stellen zu reduzieren. Bleibt der Inhalt danach noch verständlich, ist der Kontrast ausreichend.
Kontraste für Texte
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Der allgemeine Mindestkontrast für Texte beträgt 4,5:1. Bei größeren Schriften genügt ein Kontrastverhältnis von 3:1, da sie von Natur aus leichter lesbar sind.
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Rundungsfehler sind nicht erlaubt – ein Kontrast von 2,999:1 ist also nicht ausreichend.
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Wer ein höheres Maß an Barrierefreiheit anstrebt, sollte einen Kontrast von 7:1 für normale Texte und 4,5:1 für große Schrift verwenden.
Bilder und ihre Barrierefreiheit
Um Bilder für Screenreader zugänglich zu machen, sollten folgende Maßnahmen beachtet werden:
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Alt-Texte: Jedes Bild muss eine prägnante, aussagekräftige Beschreibung enthalten, die den Inhalt zusammenfasst.
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Erklärung von Infografiken: Komplexe grafische Darstellungen sollten durch eine ausführliche Textalternative ergänzt werden.
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Verzicht auf textbasierte Bilder: Da Screenreader eingebetteten Text nicht erkennen, ist die Nutzung von HTML-Text zu bevorzugen.
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Dekorative Bilder: Falls Bilder keinen inhaltlichen Mehrwert bieten, sollten sie mit einem leeren Alt-Text (alt="") versehen werden, sodass Screenreader sie ignorieren.
Tipp: Der Alternativtext sollte die Funktion und Bedeutung des Bildes wiedergeben und nicht länger als zwei Sätze sein.
Audio, Video und Animationen
Alternative Darstellungen bereitstellen
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Für rein audiovisuelle Inhalte sollte eine alternative Darstellungsform mit denselben Informationen existieren, etwa in Textform.
Untertitel für Audioinhalte
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Für vorab aufgezeichnete Inhalte mit Ton (z. B. Videos) müssen Untertitel verfügbar sein. Eine Ausnahme besteht, wenn der Audiobeitrag eine Alternative zu einem bereits vorhandenen Text darstellt.
Pausieren und Stoppen ermöglichen
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Nutzer müssen in der Lage sein, Videos, Audios oder Animationen zu pausieren oder zu stoppen. Ebenso sollte eine Lautstärkeregelung integriert sein.
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Dazu zählen z. B. automatisch startende Diashows oder Videos. Ein barrierefreier Medienplayer sollte sowohl die Bedienung ohne Maus als auch die Unterstützung von Screenreadern gewährleisten.
Blinkeffekte begrenzen
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Kein Element auf der Webseite darf mehr als dreimal pro Sekunde blinken, da dies gesundheitliche Risiken für Nutzer mit sensibler Wahrnehmung darstellen kann.
Formulare und interaktive Elemente
Interaktive Inhalte können große Barrieren darstellen, lassen sich aber mit einfachen Anpassungen verbessern:
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Eindeutige Bezeichnungen: Jedes Formularfeld muss klar beschriftet sein, z. B. "Vorname".
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Hilfreiche Fehlermeldungen: Fehlerhinweise sollten verständlich formuliert und mit konkreten Lösungsvorschlägen versehen sein.
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Intuitive Tab-Reihenfolge: Die Navigation durch Formulare muss logisch aufgebaut sein.
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ARIA-Labels für zusätzliche Informationen: Erweiterte HTML-Attribute (ARIA-Labels) helfen Screenreadern, Felder oder Buttons besser zu erfassen.
Tipp: Testen Sie Ihre Formulare mit Screenreadern wie NVDA (Windows) oder VoiceOver (macOS & iOS), um sicherzustellen, dass sie barrierefrei sind.
Sprachliche Anpassungen
Seiten- und Abschnittssprache korrekt setzen
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Damit Screenreader die Inhalte korrekt interpretieren, muss die Sprache der Seite sowie einzelner Abschnitte eindeutig deklariert sein. Dies geschieht mit dem lang-Attribut im HTML-Element.
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Namen, technische Begriffe oder Umgangssprache sind hiervon ausgenommen.
Barrierefreie Navigation & Technik
Struktur für eine sinnvolle Lesefolge
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Eine klare Struktur ist essenziell, damit Vorlese-Programme die Inhalte in der korrekten Reihenfolge wiedergeben können. Optisch ansprechend angeordnete Inhalte sind nicht automatisch barrierefrei umgesetzt.
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Dazu zählt unter anderem die richtige Hierarchie von Überschriften (H1, H2, H3 usw.) sowie die logische Reihenfolge von UI-Komponenten.
Wiederkehrende Inhalte überspringen
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Wiederholende Elemente wie Navigationslinks oder Werbeanzeigen können für Screenreader-Nutzer hinderlich sein. Ein "Springe zum Hauptinhalt"-Link vor der Navigation kann Abhilfe schaffen.
Metadaten nutzen
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Jede Webseite sollte Metadaten enthalten, die eine schnelle Orientierung ermöglichen.
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Der title-Tag im HTML-Code erleichtert Nutzern mit Gedächtnisproblemen die Wiedererkennung einer Seite, da der Titel im Browser-Tab erscheint.
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Der Seitentitel und die Meta-Beschreibung sollten den Inhalt sinnvoll zusammenfassen.
Wichtige technische Maßnahmen
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WAI-ARIA-Rollen: Spezielle HTML-Attribute wie „navigation“ oder „main“ helfen assistiven Technologien, den Aufbau der Seite besser zu verstehen.
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Semantische HTML-Elemente: Tags wie und verbessern die Orientierung und Struktur.
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Responsives Design: Die Inhalte müssen auf allen Endgeräten optimal nutzbar sein – vom Smartphone bis zum Desktop-PC.

Was bedeutet das Barrierefreiheitsgesetz konkret für den E-Commerce?
Onlineshops stehen vor besonderen Herausforderungen, da sie interaktive Funktionen wie Produktsuchen, Bestellprozesse und verschiedene Zahlungsmethoden umfassen. Die folgenden Maßnahmen sind daher essenziell, um Barrierefreiheit sicherzustellen.
Barrierefreie Bestellformulare und Checkout-Prozesse
Formulare zählen zu den größten Herausforderungen für Nutzer mit Einschränkungen. Um den Bestellvorgang barrierefrei zu gestalten, sind folgende Maßnahmen erforderlich:
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Eindeutige Beschriftungen: Alle Eingabefelder benötigen klare Bezeichnungen (z. B. „Vorname“, „Nachname“, „Straße“).
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Fehlermeldungen und Hilfetexte: Falsche Eingaben müssen durch verständliche Hinweise korrigiert werden können, z. B. „Bitte geben Sie eine gültige Postleitzahl ein.“
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Logische Reihenfolge: Die Tabulator-Navigation durch das Formular muss intuitiv sein.
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Visuelle Unterstützung: Aktive Felder sollten durch Farbhervorhebungen oder Umrandungen deutlich sichtbar sein.
Zugängliche Such- und Filterfunktionen
Die Navigation durch Such- und Filterfunktionen sollte für alle Nutzergruppen möglich sein:
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Tastatursteuerung: Nutzer müssen in der Lage sein, durch Filter und Suchergebnisse ohne Maus zu navigieren.
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Screenreader-Kompatibilität: Suchergebnisse und Filter müssen korrekt ausgegeben werden, z. B. „5 von 20 Ergebnissen angezeigt“.
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Einfache Auswahl: Filter müssen verständlich benannt sein (z. B. „Preis aufsteigend“) und durch ARIA-Labels unterstützt werden.
Zugänglichkeit bei Zahlungsprozessen
Ein barrierefreier Zahlungsprozess verhindert Kaufabbrüche und verbessert die Nutzererfahrung:
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Kompatibilität mit Screenreadern: Alle Zahlungsoptionen (z. B. Kreditkarte, PayPal) müssen für Screenreader klar lesbar und auswählbar sein.
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Tastaturbedienung: Der gesamte Bezahlprozess muss ohne Maus abgeschlossen werden können.
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Barrierefreie Captchas: Vermeidung visueller Captchas – stattdessen sollten barrierefreie Alternativen wie Text-Captchas oder „Ich bin kein Roboter“-Checkboxen genutzt werden.
Barrierefreie Produktdarstellung
Damit Produkte für alle Nutzergruppen verständlich präsentiert werden, sind folgende Maßnahmen notwendig:
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Alt-Texte für Produktbilder: Jedes Bild muss einen aussagekräftigen Alternativtext enthalten, z. B. statt „Produktbild 1“: „Schwarzer Lederrucksack mit verstellbaren Trägern“.
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Texte für Grafiken: Infografiken und visuelle Inhalte müssen als Textalternative verfügbar sein, damit Screenreader sie vorlesen können.
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Klare Produktbeschreibungen: Alle Beschreibungen sollten einfach formuliert, gut strukturiert und leicht verständlich sein.
Kundenservice für barrierefreie Unterstützung
Ein barrierefreier Onlineshop sollte einen inklusiven Kundenservice bieten:
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Erreichbarkeit: Der Kundenservice muss leicht zugänglich sein, z. B. per Chat, E-Mail oder barrierefreiem Kontaktformular.
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Hilfestellungen: Unterstützende Informationen zur Nutzung des Shops sollten in klarer Sprache formuliert und gut sichtbar platziert sein.
Ein barrierefreier Onlineshop sorgt dafür, dass alle potenziellen Kunden – unabhängig von Einschränkungen – einkaufen können. Dies wird ab 2025 gesetzlich vorgeschrieben, bringt aber auch deutliche Vorteile: mehr Nutzer, weniger Kaufabbrüche und eine verbesserte Nutzererfahrung.
Erweiterte Pflichten für Online-Händler im Rahmen des BFSG
E-Commerce-Händler stehen vor der Aufgabe, nicht nur ihre Webseiten barrierefrei zu gestalten, sondern auch weitere gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Dazu gehören:
1. Hinweis auf Barrierefreiheitsanforderungen
Auf der Webseite, beispielsweise in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), muss ein Hinweis auf die Barrierefreiheitsanforderungen gegeben werden.
2. Sicherstellung der Barrierefreiheit von Produkten
Produkte, die unter die Regelungen des § 1 Abs. 2 BFSG fallen, dürfen nur dann auf den Markt gebracht werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Produkt trägt die CE-Kennzeichnung.
- Eine leicht verständliche Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache liegen bei.
- Der Hersteller hat seine Kennzeichnungspflichten erfüllt.
- Pflichtangaben zum Einführer sind am Produkt angebracht.
3. Verantwortung bei Elektronikprodukten
Händler, die elektronische Geräte verkaufen, müssen sicherstellen, dass die Hersteller und Importeure die oben genannten Vorgaben erfüllen, bevor sie die Produkte anbieten. Eine Prüfung der Konformität ist hier besonders wichtig.
4. Maßnahmen bei Non-Konformität
Falls ein Produkt nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, müssen Händler:
- Den Verkauf des Produkts sofort einstellen,
- Den Hersteller oder Einführer unverzüglich informieren und
- Die Marktüberwachungsbehörden umgehend in Kenntnis setzen.
Durch die Einhaltung dieser Pflichten stellen Händler sicher, dass sie sowohl den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden als auch die Barrierefreiheit für ihre Kunden gewährleisten.
Umsetzung und Prüfung
Unternehmen sollten ihre digitalen Angebote rechtzeitig überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Dies kann durch folgende Schritte erfolgen:
- Barrierefreiheitsanalyse Eine umfassende Prüfung der bestehenden digitalen Angebote hilft, Schwachstellen zu identifizieren.
- Anpassungen vornehmen Implementierung der geforderten Standards, beispielsweise durch den Einsatz von barrierefreien Designrichtlinien und die Optimierung der Codebasis.
- Schulung von Mitarbeitern Teams sollten für die Bedeutung und die technische Umsetzung von Barrierefreiheit sensibilisiert werden.
- Prüfung durch externe Experten Eine Zertifizierung durch Dritte kann sicherstellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.

Testing-Tools zur Barriefreiheit
Es gibt einige wichtige Tools zum Messen der Barrierefreiheit.
Bitte beachten Sie, dass diese Tools zwar viele Barrieren identifizieren können, jedoch nicht alle Aspekte der Barrierefreiheit automatisiert geprüft werden können. Eine vollständige Bewertung erfordert oft auch manuelle Tests durch Experten.
Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung
Verstöße gegen die Vorschriften des BFSG können erhebliche finanzielle und rechtliche Folgen nach sich ziehen. Verbraucher, die von einer fehlenden Barrierefreiheit betroffen sind, können Verstöße bei der Marktüberwachungsbehörde der Bundesländer anzeigen. Auch nach dem Behindertengleichstellungsgesetz anerkannte Verbände und Einrichtungen haben das Recht, Verstöße eigenständig geltend zu machen.
Zusätzlich können Mitbewerber Verstöße wettbewerbsrechtlich abmahnen, was Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen kann.
Erfüllt ein Unternehmen die Anforderungen der Barrierefreiheit nicht, kann die Marktüberwachungsbehörde Maßnahmen wie den Rückruf oder die Einstellung des betroffenen Produkts bzw. der Dienstleistung anordnen. Zudem drohen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro.
Fazit: Ein Gewinn für alle
Die Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes mag für Unternehmen zunächst mit Aufwand verbunden sein, bietet jedoch langfristige Vorteile. Barrierefreie Webseiten und Apps verbessern nicht nur die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen, sondern steigern auch die Nutzerfreundlichkeit und Kundenzufriedenheit insgesamt. Unternehmen, die sich frühzeitig mit den Anforderungen auseinandersetzen, sichern sich Wettbewerbsvorteile und stärken ihre soziale Verantwortung.
Nutzen Sie die verbleibende Zeit bis 2025, um Ihr digitales Angebot fit für die Zukunft zu machen!